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Berber

Knüpfteppich und Volk aus Nordafrika 

Diese Teppichgruppe wird zwar Berber genannt. Sie geht jedoch ethnisch nur zu einem geringen Teil auf die in Nordafrika ansässige Völkergruppe der Berber zurück, denn die Knüpfer sind zum Großteil arabischstämmig. Der Name “Berberteppich“ ist eine Marketingidee, die wohl auf den Deutschen Importeur Franz Oehler zurückgeht, der seinerzeit die Produktion dieser naturwollfarbenen Teppiche in Algerien startete und sie dann später nach Marokko verlagerte. Der Begriff Berber(teppich) hat sich durchgesetzt, so dass er im Laufe der Zeit zum bekanntesten Importteppich wurde.

Die Berbervölker sind nachweislich schon seit weit über viertausend Jahren in Nordafrika ansässig. Einige Ethnologen gehen sogar so weit, sie zu den direkten Nachfahren der erstmals in Südwest-Frankreich nachgewiesenen Cro-Magnon-Menschen des Neopaläolithikums zu rechnen. Obwohl die Berberstämme nie eine politische Einheit bildeten, ist es dennoch erstaunlich, dass die Teppichknüpfkunst ihres gesamten Siedlungsraumes von Tunesien bis zum Atlantik ein recht verwandtes Bild bietet. Von den farbigen Knüpfungen kommen nur wenige auf dem deutschen Markt.

Alle Qualitäten haben eine metrische Grundlage, deren Zahlen für die Anzahl der Knoten auf einer Länge von zehn Zentimetern in Kett- und in Schußrichtung stehen. Um die Knotendichten zu errechnen, werden Kette und Schuss miteinander multipliziert und mal hundert auf den Quadratmeter hochgerechnet. Beispiel: Kette/15 x Schuss/15 = 225 Knoten/qdm x 100 = 22.5000 Knoten/qm. 15/15-simple ist die häufigste Qualität, 25/25 als feinste entsprechend selten:

Qualität        ca. Knotenanzahl / qm
15/15    =     22.500
16/16    =     25.600
18/18    =     32.400
20/20    =     40.000
25/25    =     62.500

Die französischen Knotenbezeichnungen double und simple bedeuten nichts weiter, als dass der jeweilige Knüpffaden einfach oder doppelt gelegt wird. Es gibt sogar triple-Garne, allerdings selten. Außerdem kann ein Knüpffaden aus zwei verzwirnten Garnen bestehen. Dieses Knüpfgarn wird torsadé genannt und ergibt einen körnigen Floreffekt. Der große Vorteil, dieses Garns liegt darin, dass es weniger verfilzt. Aus allem ergeben sich folgende Qualitätsvarianten:

s / simple: Knoten mit einem einfachen Wollfaden, der 2 Florspitzen (Polenden) ergibt,
d / double: Knoten mit doppelt gelegtem Wollfaden, so dass 4 Florspitzen gebildet werden,
dd / demi double: geknüpft wird in zwei verschiedenen Einstellungen: Eine Reihe mit einfachen, die nächste Reihe mit doppelt gelegtem Knüpffaden, dann wieder eine einfache usw. oder abwechseln nebeneinander ein einfacher und ein doppelt gelegter Knüpffaden. Dieses Verfahren ist allerdings selten. Die Florspitzen sind hier also alternierend zwei- oder vierendig.
t / torsadé: Das Knüpfgarn ist aus 2 Garnen gezwirnt.

Die früher des öfteren anzutreffenden Nomaden und Bauernknüpfungen und Webarbeiten, wie die so genannten Hambal, mit den Provenienzbezeichnungen (Ursprung, Herkunft) Ait Ouzguit, Chichauoua, Haouz, Marmouscha, Glauoua, Zemmour, usw., um hier nur die geläufigsten zu benennen, sind inzwischen so gut wie vom Markt verschwunden, haben aber viele Freunde in Sammlerkreisen. Vereinzelt werden sie noch auf den Souks, die arab. Bezeichnung für Bazar, gehandelt.

Diese, von der Landbevölkerung in Heimarbeit und Nebenerwerb geknüpften Teppiche weichen in Farbgebung und Mustern von der Großproduktion erheblich ab. Die mit flächigen, oft leuchtenden Rot und Gelbtönen gestalteten Teppiche werden allgemein als Königsberber oder Berber-Royal bezeichnet, gelangen jedoch nur selten in deutsche Läden und Fachabteilungen.

In der Fachwelt wurde lange und ausgiebig diskutiert, ob die Knüpfungen Marokkos, Algeriens und Tunesiens überhaupt der Gruppe der Orientteppiche zuzuordnen seien. Schließlich bedeutet Orient Morgenland, also Osten. Hier haben wir hingegen mit den Mahgrebstaaten (Arab. Westland) zu tun, die südlich von Europa liegen. Da die Teppichmuster und die Handwerkstechniken jedoch eindeutig orientalisch geprägt sind und unter islamischem Einfluss der ab dem 7. Jahrhundert westwärts drängenden Araber entstanden, reihte man die Berberteppiche schließlich mit unter die Orientteppiche ein.

Abb. oben: handelsüblicher Berber
Abb. unten: Zemouri, Nomadenteppich